14. Januar 2023
Kaum ein anderer Schramberger hat sich um seine Heimatstadt so verdient gemacht wie der Unternehmer, Ehrenbürger und Visionär Erhard Junghans (1849-1923), der heute vor 100 Jahren verstorben ist.
Erhard Junghans, der zusammen mit seinem jüngeren Bruder Arthur Junghans (1852-1920) die von ihrem Vater gegründete Uhrenfabrik Gebrüder Junghans fortführte und ihren Aufstieg zur größten Uhrenfabrik der Welt erreichte, ist in seiner Heimatstadt bis heute präsent, vor allem durch seine Villa mit ihrem Park, die seine Familie im Jahr 1933 der Stadt Schramberg zu sehr großzügigen Bedingungen überlassen hat. Der Kunsthistoriker und Kreiskulturreferent Egon Rieble (1925-2016) würdigte das Ensemble einmal als „kulturelles Denkmal von kaum zu überschätzender Gegenwartsbedeutung“ und als „schönste[n] Stadtpark des Kreises“.
Im heutigen „Park der Zeiten“ erinnert ein beeindruckendes Denkmal an Erhard Junghans, das ihm seine Heimatstadt nach seinem Tod gewidmet hat. Es bietet zur Blütezeit der Rhododendren ein sehr stimmungsvolles Bild. Auf dem Friedhof der Stadt Schramberg erinnert außerdem sein Grab an ihn, das seine Ur-Ur-Enkelin Renate Junghans in der Tradition ihrer Familie bis heute pflegt.
Erhard Junghans wurde am 14. März 1849 als drittes von insgesamt acht Kindern von Erhard Junghans (1823-1870) und Luise Junghans (1821-1910) in Schramberg geboren. Er arbeitete nach einer sehr guten Ausbildung im In- und Ausland zunächst wie sein Vater als Kaufmann in der Strohmanufaktur Haas in Schramberg und gründete 1872 in Alpirsbach eine eigene Strohmanufaktur. Nach dem frühen Tod seines Vaters begann er auf Wunsch seiner Mutter, in der Uhrenfabrik der Familie tätig zu werden, die 1875 von der Mutter an die beiden Söhne verkauft wurde. Erhard Junghans übernahm die kaufmännische, Arthur Junghans die technische Leitung. Darüber hinaus lag die Gesamtleitung – was bis heute wenig bekannt ist – in seinen Händen.
Seine unternehmerische Leistung – geprägt von „ausgezeichnetem Geschäftsgeist“ und „unermüdlicher Arbeitskraft“ – wurde 1891 mit dem Titel „Kommerzienrat“ gewürdigt. Zwischen den beiden Brüdern kam es jedoch immer wieder zu Konflikten über die Zukunft des Unternehmens, in deren Folge Erhard Junghans schließlich 1897 ausschied und sich im besten Mannesalter von 48 Jahren ins Privatleben zurückzog. Er blieb der Wirtschaft aber weiter eng verbunden – und interessierte sich immer mehr für die moderne Technik, indem er start-ups“ wie den Fortuna-Werken in Bad Cannstatt behilflich war, die der geniale Maschinenbau-Ingenieur Albert Hirth (1858-1903) aufbaute, der zuvor bei Junghans in Schramberg gearbeitet hatte. Auch die Entwicklung der berühmten „Holzwarth-Gasturbine“ des in Schramberg aufgewachsenen Maschinenbau-Ingenieurs Hans Holzwarth (1877-1953) wurde von Erhard Junghans ermöglicht.
Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit war Erhard Junghans auch vielfach ehrenamtlich tätig – als Mitglied des Bürgerausschusses und Gemeinderates von 1883 bis 1911, als Vorsitzendes des Aufsichtsrates der Gewerbebank, Mitglied des evangelischen Kirchengemeinderates und Vorsitzender des Schwarzwaldvereins. Zum Abschied aus dem Gemeinderat wurde er zum dritten Ehrenbürger der Stadt Schramberg ernannt. Seine weit über Schramberg hinausgehende Bedeutung zeigt sich auch darin, dass er zu den Persönlichkeiten dieser Epoche gehörte, die von dem „Münchener Malerfürst“ Franz von Lenbach (1836-1904) gemalt wurden.
Im „Ruhestand“ blieb der außergewöhnlich vielseitig interessierte Unternehmer weiterhin sehr aktiv – und wurde zu einem bis heute faszinierenden und visionären Mäzen seiner Heimatstadt, der er in einer „fast zärtlichen Liebe und Anhänglichkeit“ eng verbunden war. Seine Mitbürger ließ er durch die Stiftung des ersten Freibades im Bernecktal, eines Eislaufplatzes und einer Rodelbahn auf dem Heideckle und des Evangelischen Gemeindehauses mit Konzertsaal an seinem Erfolg teilhaben. Ein großes Anliegen war ihm auch die Förderung der kulturellen Entwicklung mit der Stiftung seiner Altertümersammlung, die als Grundstock für ein Stadtmuseum gedacht war, zu dessen Einrichtung sich der Gemeinderat damals aber nicht entschließen konnte.
Am meisten beeindruckt Erhard Junghans bis heute durch die von ihm geschaffene und größtenteils seiner Heimatstadt auch gestiftete „Planie“ auf dem Sonnenberg, dessen Namen er auch geprägt hat – eine weitläufige Parklandschaft in Halbhöhenlage, die unter anderem für eine Stadt- und Festhalle gedacht war. Zur Erinnerung an ihren Schöpfer gab ihr der Gemeinderat auch den heute allerdings vergessenen Namen „Erhard-Junghans-Anlagen.“
Der Abschied von ihm – nur kurz nach dem Gedenken an den 100. Geburtstag seines Vaters zu Jahresbeginn – war für seine Heimatstadt sehr schmerzhaft. Stadtschultheiß Eugen Ritter (1880-1940) würdigte den verdienstvollen Ehrenbürger mit einer Trauersitzung des Gemeinderates. Sein visionäres Erbe ist bis heute eine Verpflichtung – und ein Auftrag, es neu zu entdecken.
Bild:
Erhard Junghans auf einem Gemälde von Franz Lenbach aus dem Jahr 1901.
Foto: Privatbesitz